Der Einfluss von Werner Enke auf die deutsche Sprache

Inhalt

  1. Beispiele für Redewendungen und Wortschöpfungen (Enkeismen)
  2. Peter Hajek und Claus Biegert zur umgangssprachlichen Bedeutung
  3. Donaldisten und Enkologen im deutschsprachigen Raum

Beispiele für Redewendungen und Wortschöpfungen (Enkeismen)

Dass die Sommerkomödie » Zur Sache Schätzchen ein Sensationserfolg 1968 wurde, lag auch an der flapsig-frechen Sprache des Protagonisten Martin alias Werner Enke, dem “Fummler vom Dienst”.

Er zog die Zuschauer mal leise, mal frech, mal melancholisch, mal tiefstaplerisch, mal “pseudo-philosophisch” in vielbelachten Dialogen zwischen Poesie und Pessimismus in seinen Bann.

Auf den Millionenerfolg der Filmkomödie mit den lockeren Sprüchen folgten in den 70er Jahren drei weitere erfolgreiche Spielfilme mit Wortschöpfer Werner Enke.

Die saloppen Redewendungen und Worte, auch Enkeismen genannt, in den Filmen gingen salonfähig in den Sprachalltag ein, wurden Kult und prägten die deutsche Sprache.

Zu den Enkeismen zählen neben dem Spruch Es wird böse enden zum Beispiel:

  • fummeln
  • ausgebufft
  • abschlaffen / abgeschlafft
  • draufhauen
  • logo
  • abgelascht
  • bollerig
  • Dumpfbacke
  • Pseudosoph

Folgende Enkeismen landeten im Duden: fummeln (» hier), ausgebufft (» hier), abgeschlafft (» hier), abschlaffen (» hier), draufhauen (» hier), logo (» hier) und Dumpfbacke (» hier).

Allerdings ist fummeln keine orginäre Wortschöpfung von Werner Enke, denn das Wort gab es schon vor den Filmen Zur Sache Schätzchen (1968) und Nicht fummeln Liebling ! (1970).

Doch es wurde im Duden bis 1967 nur in einer Bedeutung verwendet: fummeln im Sinne von “sich unsachgemäß an etwas zu schaffen machen” (vgl. 16. Auflage des Duden von 1967).

Und fummeln wurde bis 1967 nur selten umgangssprachlich verwendet. Folgerichtig fragt Uschi Glas in der Straßenbahn-Szene von Zur Sache Schätzchen ihren Spielpartner Werner Enke:

“Fummeln ? Was is`n das ?”

Der lässt sich das nicht zwei mal fragen und zeigt ihr frech und frei, welche Berührungen ihres Körpers “schwer gefummelt sind” und welche nicht. Uschi Glas nennt ihn deshalb einen Fummler.

Das Millionenpublikum in den Kinos erlebt 1968 also die Geburtsstunde einer neuen, erotischen Bedeutung des Wortes fummeln im Sinne von “begrapschen und betatschen”.

Durch Zur Sache Schätzchen wird fummeln fester Bestandteil der Jugend- und Umgangssprache.

Der Duden erweitert die Bedeutung von fummeln im Sinne von “jemanden als Form des erotisch-sexuellen Kontakts berühren” – beispielsweise “ein bisschen (mit Mädchen) fummeln” (» hier).

Die Filmszene in der Straßenbahn brachte Werner Enke das Pseudonym Fummler vom Dienst und endet mit folgendem Dialog der beiden Hauptdarsteller:

Sie: “Jetzt weiß ich immer noch nicht, was fummeln ist.”

Er: “Na im Duden steht: sich unsachgemäß an einer Sache zu schaffen machen.”

Der Millionenerfolg von Zur Sache Schätzchen im Kino und die Presse tragen zur Verbreitung des Wortes fummeln in der Umgangssprache bei und es bilden sich in der Folge weitere Abwandlungen:

Die Fummelei, Der Fummel, Das Gefummel, Das Gefummele, Das Gefummle

Enkes Wort abschlaffen gefiel vor allem jungen Zuschauern und Studenten so gut, dass sie die ersten beiden Buchstaben “ab” bei anderen Worten davorhängten. So beispielsweise bei:

  • ablachen
  • abtanzen
  • ablabern
  • abgreifen
  • abhängen
 

Von diesen neuen Begriffen landeten im Duden: abtanzen, abgreifen, abhängen und ablachen.

Abhängen wird verwendet im Sinne von “in entspannter Atmosphäre seine Freizeit oder den Urlaub verbringen” – beispielsweise am Strand, im Cafe oder mit Freunden in der Kneipe abhängen.

Abgreifen wird heute zusätzlich verwendet im Sinne von “Hohe Prämien oder Geld abgreifen”.

Ablabern wird verwendet im Sinne von “jemanden zutexten” oder “jemandem ein Ohr ablabern”.

Bild-Collage verschiedener Presse- und Zeitungsartikel, die Sprüche und Zitate von Werner Enke verwendet haben wie "Was Anleger an Schätzchen so schätzen", "Zur Sache, Schätze", "McDonald`s zur Sache", "Ausgebuffter Fummel", "Ewig lockt das Schätzchen", "Wehe, wenn es wärmer wird"

Enkeismen geistern bis heute in der Umgangs- und Jugendsprache herum. Und nicht nur dort tauchten sie auf:

Auch die politischen (vgl. Hajek weiter unten) und wirtschaftlichen Debatten in der Tagespresse erreichten Enkes Wortschöpfungen.

So konnte man in Banken ab dem Jahr 1969 ein seriöses Wertpapier kaufen: die Bundesschatzbriefe. Das waren sechs- oder siebenjährige, öffentliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland.

Diese Wertpapiere mit steigenden Zinssätzen wurden in Anlehnung an den Filmtitel Zur Sache Schätzchen liebevoll in der Presse und der Bevölkerung als sog. “Bundesschätzchen” bezeichnet.

Peter Hajek und Claus Biegert zur umgangssprachlichen Bedeutung

Der österreichische Journalist, Regisseur und Grimme-Preis-Träger Peter Hajek schrieb nach dem Kinostart von » Nicht fummeln Liebling ! am 20. März 1970 in der Tageszeitung Kurier:

„Die Spils/Enke-Sprüche aus Zur Sache Schätzchen wurden zum fixen Bestandteil deutschen Sprachgebrauchs. In deutschen Gazetten wird seither an allen passenden und unpassenden Stellen gefummelt, abgeschlafft und zu irgendeiner Sache gebeten. …

Diesmal beklagt sich Hauptdarsteller Werner Enke über „viel zu viel Aktion“, trägt „bollerige“ Hosen und fühlt sich „ausgebufft und abgelascht“, denn: „Der alte Schwung ist hin“. …

„Ausgebufft und abgelascht“ landete im deutschen Bundestag. Ein SPD-Abgeordneter verwendete die Begriffe in einer Attacke gegen den CSU-Rechtsaußen Franz Josef Strauß.“

Der Journalist und Autor Claus Biegert schrieb zur umgangssprachlichen Bedeutung der Filme:

“Meine erste Begegnung mit Werner Enke hatte ich als Redakteur einer Schülerzeitung. Ich nahm ihn damals mehr als Wortschöpfer wahr, denn als Schauspieler.

Als seine Worte durch die Filme mit der Regisseurin May Spils an die Öffentlichkeit gelangten und dort auch standhielten, fing ich an, auf Enke-Wörter zu achten.

Die Filme verschwanden wieder aus den Kinos, doch die Ausdrücke des Hauptdarstellers Werner Enke blieben und fanden hauptsächlich im Sprachschatz der Presse und Medienmacher von Fernsehen und Zeitungen ihren festen Platz.

1971 wohnte ich für eine Weile bei May Spils unterm Dach und war deshalb zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten Zeuge von Enkes pausenloser Kreativität.

Irgendwann fing ich an, die Beweise für seinen sprachlichen Einfluss zu sammeln. Eines Tages war der Akt dick genug, um dem “Autor” überreicht zu werden.

Zudem konnte ich Werner Enke den Beweis liefern, dass selbst der Duden nicht an seinen Sprüchen und Zitaten vorbei kam.”

Donaldisten und Enkologen im deutschsprachigen Raum

Anfang der 1970er Jahre entstanden im deutschsprachigen Raum sog. Donaldisten. Benannt nach der Comic-Figur Donald Duck von Walt Disney.

Das waren Fans, die sich mit den Abenteuern und dem Gedankengut des “kleinen Herrn Duck”, der Familie Duck und anderen Bewohnern der fiktiven Stadt Entenhausen wie Micky Maus beschäftigten.

Schwerpunkt im Donaldismus waren die Comics von Zeichner Carl Barks und Übersetzerin Erika Fuchs.

Im Jahr 1977 bildete sich in Hamburg für deutschsprachige Donaldisten die Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus (Abkürzung: D.O.N.A.L.D.).

D.O.N.A.L.D. veranstaltet Kongresse mit wissenschaftlichen Vorträgen, bei denen jährlich der Präsident gewählt wird – die PräsidEnte, die bei männlicher Besetzung auch PräsidErpel genannt werden kann.

Außerdem ist D.O.N.A.L.D. Herausgeber der Zeitschrift Der Donaldist, in der wissenschaftliche Forschungsbeiträge rund um die Bewohner der fiktiven Stadt Entenhausen veröffentlicht werden.

Als dann in deutschsprachigen Donald-Duck-Comics aus den 1970er Jahren einige von Enkes Redewendungen auftauchten wie fummeln oder es wird böse enden, gab es plötzlich sog. Enkologen:

Das waren Fans, die alle Sprüche und Zitate aus den Spils/Enke-Filmen in selbst geschriebenen Heften gesammelt haben und Werner Enkes Wortschöpfungen sprachlich in ihrem Umfeld verwendeten.

Somit trugen diese Enkologen dazu bei, dass sich Enkeismen in der Umgangssprache und Alltagssprache im deutschsprachigen Raum verbreiteten.